Aussergewöhnliche Kristallbilder

Auf Einladung der Stiftung für die nachhaltige Entwicklung der Bergregionen konnte der kolumbianische Fotograf Juan Pablo Marìn drei Monate in Göschenen arbeiten und ein Kunstprojekt verwirklichen. Am 21. Juni zeigte er an der Vernissage in der Alten Kirche Göschenen seine Arbeit «Millionen von Jahren warten».

Von Kolumbien nach Göschenen

Juan Pablo Marìn lebt in Cali, Kolumbien, einer Grossstadt mit 2,5 Millionen Menschen. Das Klima ist tropisch, das ganze Jahr über um 30 Grad heiss. Die Berge um Cali sind sehr hoch, grün und bewaldet. Schnee sieht Juan Pablo Marin nur aus der Ferne.

Ganz anders Göschenen, ein kleines Dorf mitten in den Urner Alpen. Als der Fotograf hier eintraf, schneite es erneut. Marin ist inmitten der Berge, in Eis, Schnee und zwischen hohen Granitwänden. Er wird wegen der Lawinengefahr gewarnt, sich nicht zu weit aus dem Dorf zu bewegen. Die Menschen, die der Fotograf gerne porträtieren wollte, bleiben zu Hause, schaufeln Schnee. Wie weiter? Ein Blick in das Schaufenster des Kristallgeschäfts Indergand bringt ihn auf die Idee Bergkristalle und die Lebenswelten der Strahler abzubilden.

 

Blick durch Kristalle

In der schlichten romanischen Kirche Mariä Empfängnis zeigt der Fotograf Juan Pablo Marìn seine Kristallbilder. Fotografiert hat er sie, nicht wie sonst üblich im Studio mit Kunstlicht, sondern in der Natur. Der Fotograf blickt durch Kristalle hindurch auf die Landschaft. In den Mineralien spiegeln sich Himmel und Wolken. Schnee, Felsen, Wälder verleihen ihnen Farbe. Der Hintergrund bleibt in der Unschärfe, der Fokus ist auf den wunderbaren Gebilden, den Kristallen: Risse und Verformungen, zeugen von der Hitze und dem Druck des Enstehungsprozesses von Millionen von Jahren.

Ebenso ungewöhnlich, wie die Kristallaufnahmen, sind die Porträts von acht Urner Strahlerinnen und Strahlern. Fotografiert hat sie Marin durch einen Kristall, dem Lieblingsstein der jeweiligen Kristallsucher. Wiederum sind die Kristalle scharf abgebildet, die Gesichter sind in der Unschärfe. Die Gesichter verschmelzen mit dem Kristall und seinen vielseitigen Strukturen zu einer Einheit. «Kristalle sind eine interessante Metapher für das Leben in diesen Bergen in einem physischen, wie in einem spirituellen Sinn», sagt Juan Pablo Marìn. «Kristalle symbolisieren sowohl die materielle, wie die mystische Verbindung mit dem Territorium.»

 

Video über Kristallsucher

«Die wichtigste Arbeit, die ich Göschenen realisiert habe, ist jedoch das Video», sagt Marìn. Für diese Arbeit hatte der Fotograf sechs Strahlerinnen und Strahler in die Alte Kirche Göschenen gebeten. Hier hatte Juan Pablo Marìn ein Studio eingerichtet. «Der Fotograf fragte mich nach meiner Beziehung zu den Bergen und meiner Leidenschaft, das Kristallsuchen», erzählt der Strahler Fränggi Imhof aus Altdorf. «Dann verliess er mit Kristin T. Schnider, der Projektleiterin und Übersetzerin, den Raum. Ich war mit der Kamera allein, ohne Ablenkung und konzentriert. In mir entstand eine ruhige, fast meditative Stimmung.»

Im Video erzählt zum Beispiel der Strahler Peter Amacher: «Ich lebe auf dem Berg, im Berg, mit dem Berg, vom Berg. Die Bergkristalle, die wir bei uns finden, sind vor rund 15 Millionen Jahre gewachsen. Wenn man als erster Mensch sie in der Hand hält, hat man Respekt.» Zwischen den Aussagen der Menschen sind spektakuläre, im Zeitraffer gefilmte Aufnahmen von Kristallgruppen in der Landschaft zu sehen. Dadurch entsteht eine unglaubliche Dynamik. Die Wolken rasen, die Kristalle funkeln, glitzern und blinken im Wechselspiel von Sonne und Wolken. Die Kristalle erscheinen als «lebendige Wesen».

Mit seinen Bildern will der Fotograf aus Kolumbien den Urner Strahlerinnen und Strahlern danken für ihre Mitarbeit und Gastfreundschaft. Die Begegnungen mit Menschen sind ihm wichtig, das ist auch an der Vernissage zu spüren. Mit breitem Lächeln geht er auf Menschen zu. Einer sticht mit seinem grossen, braunen Hut besonders heraus – Fränggi Imhof. Juan Pablo Marìn begrüsst ihn herzlich, sie umarmen sich. Der Urner Strahler hat dem kolumbianischen Fotografen ein kleines Geschenk mitgebracht, ein Anhänger mit einem Kristall für seine Frau, die bald ein Kind gebären wird.

Zurück
Zurück

Biodiversität alarmierend

Weiter
Weiter

Unterwegs zur Alp Waldnacht