Unterwegs zur Alp Waldnacht

1000 Höhenmeter zu bewältigen

Während die meisten Tiere im Kanton Uri heute mit Viehtransportern auf die Alpen gefahren werden, sind vereinzelte Alpen, wie Gorneren, Fellenen (beide Gurtnellen), Buggi (Sisikon) oder Waldnacht nicht mit Strassen erschlossen. Hier erfolgt die Alpauffahrt zu Fuss.

Am 8. Juni, um 3 Uhr morgens ist die Familie Püntener aufgestanden, hat die Kühe gemolken und gestriegelt und ihnen die grossen, schwarzen Fahrtreicheln angezogen – der Stolz jeder Älplerfamilie. Kurz vor 5 Uhr ist es soweit. Alle acht Helferinnen und Helfer sind eingetroffen, die meisten sind seit vielen Jahren beim Alpaufzug dabei.

Um 5 Uhr treiben Pünteners ihre 15 Kühe und ihre vier Ziegen aus dem Stall. Das rhythmische Glockengeläut ist weithin zu hören. Vier Stunden sind Menschen und Tiere unterwegs. Ihr Weg führt von Eyelen über die Feldstrasse Richtung Kirche, dann über die steil ansteigende Kummetstrasse zur Talstation der Brüstiseilbahn. Nach Mettlen schlängelt sich der Fahrweg in direkter Linie bis zum Höchiberg, unterhalb der Bergstation Brüsti. Die Kühe steigen, eine hinter der anderen, dichtgedrängt, bergwärts. Sie schwitzen, trotz des regnerischen Tags und den niederen Temperaturen. Die mächtigen, warmen Körper dampfen, die Herde – in Nebel eingehüllt. Ab und zu bleiben die Kühe stehen, um dann Momente später wieder anzusteigen. Hektik und Gedränge gibt es nicht, die Tiere werden nicht getrieben. Sie und nicht die Menschen bestimmen das Tempo.

Als das Sennten nach über dreieinhalb Stunden Aufstieg den Höchiberg erreicht, ist es nicht mehr weit bis zur zum Bergheimet der Familie Püntener bei der Waldnachtkapelle. Hier warten bereits Josefine und Leo, die Eltern von Felix Püntener, auf das Eintreffen der Herde. Leo hat den Hag geöffnet, den Kühen werden die Fahrtreicheln abgenommen, hungrig beginnen sie zu grasen. In der Stube gibt’s das traditionelle Helferessen: Fleischplatte mit Eiern, Gürkchen und Tomaten, sowie Bratwürste, und Brot. Dazu Kaffee und kalte Getränke. Josefine erzählt stolz: «Alle freuen sich auf den Alpaufzug, einige freuen sie sich noch mehr auf das Znüni.»

 

Auf der Alp

Waldnacht, 18. Juni, 16 Uhr. Die Kühe warten beim Brunnentrog, wollen gemolken werden. Andrea Epp, Partnerin und Kilian Bölsterli, Angestellter, treiben die Tiere in den blitzblank geputzten Stall, helfen Felix Püntener beim Anbinden. Der 80-jährige Leo Püntener trifft ein. Auf dem Mountainbike, an der Lenkstange ein Milchchesseli. Er hilft ab und zu mit, beim Hagen, beim Treiben der Kühe. Noch letztes Jahr hat er morgens und abends gemolken. Den Alpbetrieb hat er bereits 1995 seinem Sohn Felix übergeben.

Leo Püntener erinnert sich gut, als in den Fünfziger- bis in die Siebzigerjahre 700 Rinder auf dem Weg nach Surenen hier Halt machten. Die Treiber übernachteten in den Hütten und Ställen, die Rinder durften auf einer der Weiden grasen. Der Halt war nötig, waren die Herden und Treiber schon seit Stunden unterwegs und hatten am nächsten Morgen den kräfteraubenden Aufstieg auf den Surenenpass vor sich. Nochmals waren 1000 Höhenmeter zu bewältigen, eine längere Strecke bis zur Passhöhe über den Schnee.

Eine Woche nach der Bergfahrt ist Felix Püntener mit den Kühen vom Berg auf die Alp Waldnacht gezogen. Fünf Bauern haben insgesamt 17 Lehnkühe gebracht. «Für den Älpler, wie für den Bauern ist die Lehnkuh ein Gewinn», erklärt Felix Püntener. «Die Kuh kann bei uns weiden und ich kann die Milch verkäsen. 8 Liter pro Kuh gehören mir als Hirtlohn, der Rest der täglichen Milchmenge der Lehnkuh bezahle ich dem Bauern. Zusätzlich gehört der Sömmerungsbeitrag der Lehnkuh dem Älpler, der Alpungsbeitrag dem Bauern.»

Den Anbindestall baute Felix Püntener 1996. Der Stall ist erstaunlich gross und geräumig, gemolken wird mit einer Rohrmelkananlage. Beim Melchen wird die Milch über eine Chromstahlleitung direkt ins 700 Liter fassende Käsechessi gepumpt. «Damit ist eine sehr saubere und hygienische Milchgewinnung gewährleistet», sagt Felix Püntener. «Die Kühe werden den ganzen Sommer im gleichen Stall gemolken. Die Wege zu den Weiden sind relativ lang, wir profitieren jedoch von einer sehr guten Infrastruktur.» 2015 hat Püntener die Alpkäserei gebaut.

«Die Vorbereitungen der Alpzeit beginnen bereits Anfang Jahr», sagt Felix Püntener. «Ich nehme Kontakt auf mit den Bauern, die mir ihre Kühe z Alp geben.» Rund 800 Mutschli werden direkt auf der Alp verkauft. Ein Teil des Alpkäses wird in die Volg-Läden Attinghausen und Seedorf und der Landi Uri AG geliefert. Auch im Hofladen von Imhof Gemüse, Attinghausen oder am Wochenmarkt Altdorf und in Hofläden, Geschäften und Restaurants ausserhalb des Kantons sind die Alpprodukte von Felix Püntener erhältlich. Zudem hat Felix Püntener viele private Kunden.

Die Alp ist mit zwei Seilbahnen erschlossen, damit wird der Käse von der Alp ins Tal transportiert und zum Teil im Keller der Genossenschaft Urner Alpkäseproduzenten eingelagert. Ein paar Laibe der Produktion überwintern im Käsekeller auf der Alp.

Er schmeckt wunderbar, eher mild, fein und trotzdem würzig. Ein Waldnachter eben.

 

Grösste Privatalp im Kanton Uri

Von keiner anderen Alp im Kanton Uri ist eine so grosse Zahl von Marchbriefen, Gerichtsurteilen, Landschafts-, Natur- und Lagebeschreibungen bekannt. Die schriftlichen Dokumente. befinden sie sich im Staatsarchiv. Die Alp Waldnacht wurde 1457 erstmals urkundlich erwähnt. In diesem Marchbrief wurden die Grenzen der Eigenalp festgelegt und das Zusammenleben auf der Alp in allen Einzelheiten geregelt. Die älteste Alpordnung des Kanton Uris ist mit wenigen Änderungen noch heute gültig.

Die 200 Hektaren grosse Alp Waldnacht dient zwei Alpbetrieben als Hauptstafel. Insgesamt sömmern sie 72 Kühe und rund 100 Rinder. Nebst diversen Alpprodukten wie Alpjoghurt und Alpmutschli, produziert Felix Püntener rund 5 Tonnen Alpkäse. Mit der Schotte werden Kälber gefüttert, ein zusätzlicher Betriebszweig.

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Schmuckis auf der Alp