Schmuckis auf der Alp

Auf der 35 Hektaren grossen Alp schaut die Familie Schmucki zu 15 Kühen und 16 Rindern. Die Aussicht auf das Sarneraatal und die Berner Alpen ist umwerfend.

 

Im Herbst 2018 suchten Anina und Andreas Schmucki aus Winterthur eine Stelle auf einer Alp über das Internetportal „zalp“. An acht Orten haben sie sich beworben, die Alp Brunnenmad, oberhalb Lungern, war ihre erste Adresse für ein Vorstellungsgespräch. „Als uns Heidi und Christian Imfeld die Alp Brunnenmad zeigten, waren wir sofort begeistert, das Bauchgefühl stimmte“, erzählt Anina Schmucki. Sie sagten zu, der Vertrag war gemacht, per Handschlag.

 

Das Leben neu organisieren

«Mein Mann Andreas ist Rettungssanitäter in Uster, ich bin Primarlehrerin in Madetswil, einem kleinen Weiler bei Russikon. Dort unterrichte ich die Mittelstufe Klasse», sagt Anina Schmucki. Inzwischen ist dies jedoch Vergangenheit. Die Familie Schmucki hat ihr Leben völlig umgekrempelt, ihre Stadtwohnung aufgegeben, die Möbel eingelagert. Seit dem 29. April sind Schmuckis auf der Brunnenmad z Alp. Sie wollten sich erst einleben, bevor sie am 15. Mai die Kühe und Rinder auf die Alp trieben. «Der Alpabzug war streng», schrieb Anne-Sophie in einem Brief an ihre Klasse. «Die Kühe schissen und pinkelten überall hin, wo sie gerade Lust hatten. Wir liefen zwar nur eineinhalb Stunden, aber weil es steil war, kam es mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Erst gerade habe ich etwa 40 Omeletten gemacht (ging drunter und drüber). Am 5. Mai hatten wir 40 cm Schnee und ich bin bis zum Po eingesunken. In der Küche brennt, wenn es kalt ist, immer ein Feuer.» Anne-Sophie schreibt gerne in ihr Tagebuch, macht Fotos mit ihrer Kamera, die sie später einkleben will.

 

Ein Jahr Auszeit mit der Familie

Als Familie z Alp, sieben Monate reisen und das Jahr mit einem zweiten Alpsommer abschliessen, das ist das Ziel der Familie Schmucki. «Du kannst ist im Kanton Zürich die Kinder ein Jahr aus der Schule zu nehmen, auch wenn du nicht Lehrerin bist», sagt Anina Schmucki. «Luc ist sieben Jahr alt, Anne-Sophie zehnjährig, das ist ideal. Im Herbst 2020 kann Luc die Primarschule fortsetzen und Anne-Sophie hat noch ein Jahr Zeit, bis sie in die Oberstufe wechselt.» Anina Schmucki hat 8 Jahre in Madetswil unterrichtet: «Andreas und ich waren im Alltag in unseren Beruf sehr eingespannt. Es war Zeit für eine Veränderung. Jetzt haben wir viel Zeit für uns und die Kinder, können gemeinsam Neues wagen.»

 

Die Zeit auf der Alp eine Art Übergangszeit – hier ist die Familie für vier Monate zu Hause. Mitte September begeben sich Schmuckis auf eine abenteuerliche siebenmonatige Reise nach Asien. «Wir fliegen Mitte September nach Kasachstan», erzählt Andreas Schmucki. «Reisen weiter nach Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan, Richtung Iran. Den Winter verbringen wir in Sri Lanka und in Thailand. Im Frühling setzen wir unsere Reise fort nach Myanmar und China und kehren Im Frühling mit der Transsibirischen Eisenbahn zurück. Unsere Auszeit beenden wir mit einem zweiten Alpsommer auf Brunnenmad.»

 

Leben auf der Alp

Auf der Brunnenmad haben Anne-Sophie und Luc auch Schule. Täglich von 9.45 Uhr bis 13 Uhr, ihre Mammi ist da streng. Nur ist hier alles ein wenig anders als in der Stadt. Der Unterricht ist in der Küche oder bei schönem Wetter, wie heute, vor der Alphütte. Anne-Sophie lernt Englisch und schreibt eine Karte an Jane und Rod in London: «The view of our Alp Brunnenmad is wunderful. The chickens are lucky and happy. I love the eggs sunny side up.» Luc löst Rechenaufgaben.

 

«Vor dem Unterricht müssen die Kinder ihre Ämtli erfüllen. Betten, Abwaschen, Abtrocknen und den Hühnerstall ausmisten», sagt Anina Schmucki. «Die Kinder brauchen klare Strukturen. Es ist mir wichtig den Alltag in der Schule zu integrieren. Ich mache das Brot selber, unterdessen lösen die Kinder Rechnungen, schreiben einen Aufsatz. Vor ein paar Tagen haben Anne-Sophie und Luc ein Rezept abgeschrieben, das sie anschliessend gekocht haben. Bei dieser praktischen Aufgabe lernen die Kinder Lesen, Textverständnis und Kochen.» Nach dem Mittagessen arbeiten Anne-Sophie und Luc auf der Alp mit, zum Beispiel beim Unkraut jäten auf den Weiden. Auch Spielen oder Planschen im Schwimmbecken kommen nicht zu kurz. Um 17 Uhr heisst es die Kühe in den Stall treiben und melken. Die Kinder sind mit Begeisterung dabei. Am Abend ist Anne-Sophie für das Nachtessen zuständig, es gibt Einfaches wie Gschwellti, Omeletten oder ein Birchermüesli. Am Morgen dürfen die Kinder bis 7 Uhr im Bett bleiben. Die Zubereitung des Morgenessens ist die Aufgabe von Luc. Die Eltern haben Hunger, wenn sie vom Melken um 8 Uhr zurückkehren.

Luc gefällt es auf der Alp: «Wir leben hier wie auf einem Bauernhof, es ist ganz anders, als in der Stadt. Es ist schön, dass wir die Berge so nahe haben. Jeden zweiten Tag gehen wir mit der Milch ins Dorf und posten mit der Familie. Hier hat es von allem viel mehr, mehr Bäume, mehr Pflanzen. Am liebsten arbeite ich in meiner Werkstatt im Tenn. Dort habe ich meine Hobelbank und meine Spielzeuge.

Es ist einfach nur schön da oben.»

 

Neue Rollen in der Familie

Andreas kocht Spaghettisauce mit frischen Tomaten, schnetzelt zwei Landjäger, die er in die Sauce gibt. „Wir erfinden uns Familie neu“, erzählt Andreas Schmucki. «In kürzester Zeit haben sich unsere Rollenbilder verschoben. Während ich in Winterthur oft für die Familie gekocht habe und ich mit Anina die Hausarbeit teilte, ist sie jetzt hauptsächlich fürs Kochen und den Haushalt zuständig. Melken, Hagen und Weidepflege machen wir gemeinsam. Die Aufgaben, die mehr Kraft erfordern, habe ich übernommen. Das traditionelle Rollenbild scheint uns sinnvoll und logisch.» Die Familie Schmucki ist zu einer Bauernfamilie geworden, mit einem ganz anderen Lebensstil als in der Stadt. So kennt Anne-Sophie bereits die Namen sämtlicher Rinder und Kühe. Ihre Lieblingskuh ist die 12-jährige Perla.

Hetti, Karo, Liselotte, Cilli, Icora und Morisa heissen die Hühner von Anne-Sophie und Luc. «In Winterthur lernten wir den Stall ausmisten», erzählt Anne-Sophie. «Die Hühner sind eine ganz gute Sache», sagt Anina Schmucki. «Sie sind eine Aufgabe für die Kinder, sie lernen Verantwortung zu übernehmen.» Vor kurzem gab es viel Aufregung: Die Familie war am Mittagessen, als sich ein Habicht das Huhn Hetti stürzte und mit ihm davonflog. Zum Glück musste der Raubvogel das Huhn fallen lassen, weil es für ihn zu schwer war. Hetti blieb unverletzt.

Luc ist für zukünftige Fälle gewappnet: «Ein Freund von Papa hat mir eine Holzpistole geschnitzt, damit kann ich auch dem Fuchs und dem Wolf Angst einjagen, damit sie nicht die Hühner holen.»

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